Burgergmaind-Zytig, Nummer 52, Dezember 2002, Seiten 1,2 und 3
Schweizer schlumpern in Hamburg

zum Projekt
Pressebericht
Publikation
Künstler der Kreativwerkstatt des Bürgerspitals Basel stellten vom 26. September bis 24. Oktober 2002 in der Galerie "Die Schlumper" in Hamburg eine Auswahl ihrer Werke aus. Die Ausstellung war ein voller Erfolg. Sie war gut besucht, in den Hamburger und Basler Medien kommentiert und die Künstler konnten einige Werke verkaufen.
Die Idee, Grenzen zu überwinden und einmal eine Ausstellung im Ausland zu wagen, entstand aus der nunmehr fünfjährigen Zusammenarbeit zwischen der Kreativwerkstatt des Bürgerspitals Basel und den Fehlerpflegern. Die Sache wollte gut vorbereitet sein. Vor zwei Jahren mit einem privaten Besuch zum Herstellen der Kontakte und vor einem Jahr mit einer "Geschäftsreise", welche die Künstler zusammen mit dem Leiter der Kreativwerkstatt und den Fehlerpflegern unternahmen. Dabei ging es darum, mit einer Präsentationsmappe und vielen Beispielen des künstlerischen Schaffens, die Verantwortlichen der Galerie vom Gedanken einer Ausstellung zu überzeugen. Und dies gelang. Die in Farb- und Formsprache eigenständigen Malereien, Zeichnungen und Fotografien erheben künstlerischen Anspruch und stellen sich in diesem Sinne dem Publikum, ohne an Defizit und Hilfsbedürftigkeit orientiert zu sein. Das Anderssein interessiert die Künstler nicht, im Gegenteil: ihr Witz, ihre Ernsthaftigkeit und ihr Selbstverständnis als Künstler stehen für sie im Vordergrund. Dies sahen auch die Galeristen so.
Die Ausstellung zeigte die zwischen Realität und Impression beeindruckenden Landschaftsbilder von Markus Buchser, die durch Form und Farbgebung überzeugenden Werke von Sebastian Kaeser oder die Kreisvariationen von Franz Klonnek. Dann aber auch die Mensch-Tierwesen von Bruno Hofer wie auch die modernen, fotografisch aus speziellen Blickwinkeln festgehaltenen Banalitäten des jüngsten Künstlers Tobias Eisenhut.
Die Galerie "Die Schlumper" ist in einem früheren Industriebau untergebracht, der mit seiner Helligkeit, den verschiedenen Niveaus und der technischen Architektur einen exzellenten Rahmen für eine Kunstausstellung bietet. Architektur und Farbgebung tragen die Kreativität der Kunstschaffenden auf Händen. Die Professionalität der Ausstellungsgestalter trug das ihre zu einer perfekten Harmonie bei.
Bereichert mit vielen neuen Erfahrungen, tiefgreifenden Erlebnissen und dem Wissen, etwas Besonderes erlebt und geleistet zu haben, kehrte die ganze Equipe wieder nach Basel zurück.


Wer sind die Fehlerpfleger
Markus Häberlin (1969) und Simone Kurz (1965)
Wir arbeiten nicht therapeutisch, auch wenn es "gut tut" zu malen. Wir arbeiten nicht pädagogisch, die Vermittlung von korrektem Malen und Zeichnen interessiert uns nicht. Was uns fasziniert, sind die Menschen und der einzigartige, ja vielleicht eigenartige Stil des Einzelnen. Beratend, fordernd und unterstützend stehen wir zur Verfügung, beschaffen das richtige Material, kreieren eine Atelieratmosphäre, trösten, lachen und kitzeln die ureigenste Schaffenskraft. Wir sind Partner, Assistenten, Anrege und "Fehlerpfleger", wie ein behindertes Mitglied der Hamburger Band "Station 17" seine betreuenden Musiker-Kollegen einmal nannte.
Wir wollen vom Kultur-Gastarbeiter in einer Institution zur Vernetzung mit Menschen und Kultur ausserhalb der Behindertenszene führen. Durch unsere Kontakte und Erfahrungen in der Kulturszene können wir Brücken bauen.
Wir arbeiten das fünfte Jahr mit der Kreativwerkstatt zusammen, begonnen hat alles mit einem Malworkshop. Jedes Jahr haben wir seither ein bis zwei Projekte der unterschiedlichsten Art – vom medial begleiteten Ausflug über die Organisation von Ausstellungen bis zu Videoinstallationen – gemeinsam durchgelebt. Für 2003 planen wir eine grosse Sache in Basel im Unternehmen Mitte.


Gedankensplitter
aus dem Erfahrungsschatz der Fehlerpfleger
- Heute gibt es etliche Initiativen, die die Arbeiten geistig Behinderter erfolgreich aus der Schublade der Hobbykünstler befreien wollen, so etwa die Schlumper-Maler in Hamburg oder die Schweizer Band "Die Regierung". Das Besondere an diesen Projekten sind die Synergien aus den kreativen Kräften Behinderter und solchen, die die künstlerischen Qualitäten der Arbeiten erkennen und fördern.
- Die Kreativleistung des Künstlers bleibt selbstbestimmt, die Besonderheiten oder "Fehler" werden nicht durch Anpassung an gesellschaftliche Normen von "richtig oder falsch" nivelliert.
- Obwohl der französische Künstler Jean Dubuffet die Kunst geistig Behinderter in den vierziger Jahren gesellschaftsfähig machte, rumort noch immer die Frage in unseren Köpfen, ob das nun Kunst sei oder nicht.
- Eine geistige Behinderung erzeugt nicht automatisch geniale Kunst, aber sie verhindert sie auch nicht.

Margret Locher
Burgergmaind-Zytig, Nummer 52, Dezember 2002, Seiten 1,2 und 3