Thomas Brunnschweiler, Germanist und Theologe
Abtauchen in Ohnmacht
Thomas Brunnschweiler ist einer der Künstler in der Kreativwerkstatt des Bürgerspitals. In einem Buch werden sie porträtiert.
Mit Schall und Rauch landet heute Abend ein Raumschiff im Gundeldinger Feld. An einer spektakulären Vernissage wird das Buch «Grenzlichter» gefeiert. Dokumentiert werden darin Künstler und Künstlerinnen, die in der Kreativwerkstatt des Bürgerspitals Basel malen, töpfern, musizieren, fotografieren und schreiben. Zu ihnen gehört Thomas Brunnschweiler, der sich nicht als «behindert» bezeichnen möchte: «"Beeinträchtigt" ist wohl das bessere Wort dafür. Ich leide unter einer bipolaren affektiven Störung, früher nannte man es manisch-depressiv.»
Der 50-jährige ehemalige Gymnasiallehrer strahlt Ruhe aus. Jeden Vormittag fährt er von Dornach an die Burgfelder Grenze. Seit 1996 arbeitet er dort im geschützten Rahmen. «Er gibt mir die Möglichkeit, konstant zu arbeiten und psychisch stabil zu bleiben.» Eine leichte Depressivität sei bei ihm immer vorhanden, räumt er ein. Am Nachmittag gehe es ihm aber meist besser. Dann arbeitet er zu Hause als Journalist und Schriftsteller.
Seine Beeinträchtigung hat ihn zum Schreiben geführt. Bereits konnte er einiges veröffentlichen. Gerade neu erschienen ist «Naive Eva in Evian», in der er seiner Leidenschaft zu Anagrammen frönt. Schon über 150 Artikel habe er verfasst, sagt Brunnschweiler und greift zu einem Ordner mit Exemplaren der «Burgergmaind-Zytig». Darin hat er Porträts von den Mitarbeitern der Kreativwerkstatt veröffentlicht, die alle unter einer geistigen oder psychischen Störung leiden.
Glücklicher als früher
In der Werkstatt versteht sich Brunnschweiler als Grenzgänger. Seine «Erkenntnisse eines Betroffenen» hat er in der Publikation «Grenzlichter» festgehalten. Brunnschweiler möchte bei seiner Schreibarbeit keinen Handicap-Bonus. Zu der psychischen Störung stehen wolle er aber schon. Schliesslich habe sie sein ganzes Leben grundlegend verändert. Trotz seiner Beeinträchtigung trage er die volle Verantwortung für sein Leben. Er lebt von der IV, verdient höchstens noch halb so viel wie als Lehrer. Trotzdem ist er heute glücklicher als vor zwanzig Jahren: «Aber nicht pausenlos», ergänzt er und lacht. Durch etwas, das einen beeinträchtige, werde man stärker. Medikamente und eine Gesprächstherapie stützen ihn dabei.
Seine Krankheit hat er inzwischen akzeptiert, auch weil er heute weiss, dass sie genetisch bedingt ist und niemand, auch er selber nicht, daran schuld ist. «Viele denken, dass man mit Willen gegen eine Depression ankämpfen kann», sagt Brunnschweiler. Diese Willensfunktion sei jedoch ausgeschaltet. Es sei ein «Abtauchen in absolute Ohnmacht gegenüber dem Leben». Nach einem derartigen Schub lebe er jeweils viel intensiver. «Ich schätze es dann umso mehr, dass es mir wieder gut geht.»
Regula Wenger
BASELEXTRA Baslerstab vom 20.9.2004
Buchvernissage: Gundeldinger Feld, Halle Querfeld, Montag, 20.9., 18.30 Uhr.
www.baslerstab.ch