«Grenzlichter» an den Rändern der Gesellschaft
Das Kunstbuch der Kreativwerkstatt des Bürgerspitals
Sie wohnen unter uns und sind doch im Abseits: Menschen mit einer Behinderung. Was wissen wir von ihnen? Ein Buch gibt Auskunft.
Seit 1993 schaffen in der «Kreativwerkstatt Bürgerspital Basel» Behinderte. Entsprechend ihren Fähigkeiten und Wünschen wird gemalt, geformt, gefilmt, geschrieben, geleitet von Walter Buess, betreut vom Künstlerpaar Simone Kurz und Markus Häberlin.
Mehrmals schon wurden Arbeiten in der Öffentlichkeit vorgestellt. Jetzt sind Projekte und Werke in einem schönen und interessanten Bildband festgehalten. - Schicksale leuchten auf, dokumentiert in unsentimentalen Texten. Ein Down-Syndrom seit Geburt kann ebenso zum Einstieg in die Kreativ-werkstatt führen wie der Überfall eines Taxifahrers, eine körperliche Missbildung, ein Fahrradsturz oder eine unablässige Seelenqual. Bilder zeigen, wie diese Beschwernisse Eingang, vielleicht auch Erlösung finden in bald spontan, bald akribisch gemalten, gezeichneten oder aus Ton geformten Figurationen.
PROZESSION. Grosse Gestalten breiten ihre Arme aus wie Flügel, dunkle Prozessionen ziehen über einen roten Hügel, Hütten und Blüten bilden Ornamente vor einem Flammengrund. Wildes oder Absonderliches oder Zärtliches findet die angemessene Form. Texte und Layout jubeln die Werke nicht zu «Kunst» auf, sondern betten sie in den Fluss des Lebendigen. So entsteht Nähe. Wo sind Unterschiede, Grenzen? «Wir leiden achtsamer» heisst es im Palindrom eines hochbegabten Dichters der Kulturwerkstatt.
«Fehlerpfleger» nennen Markus Häberlin und Simone Kurz die Gruppe, denn: «Der vermeintliche Fehler, die Eigenartigkeit, vielleicht auch Einzigartigkeit des Anderen wird als eine Stärke begriffen, mit der man arbeiten kann.» Solche Einsichten machen das Buch lebensnotwendig, Not-wendend, auch für so genannte Nicht-Behinderte. «Grenzlichter» strahlen über Grenzen.
>Walter Buess, Markus Häberlin, Simone Kurz (Hrsg.): Grenzlichter - Künstlerisches Schaffen am Rand, Christoph Merian Verlag Basel 2004, 48 Fr.
Basler Zeitung; 04.02.2005; Seite 8
ANNEMARIE MONTEIL
kultur buecher
www.baz.ch