«Grenzlichter»
Bücher über Kunst von Behinderten sind so eine Sache. Oft kommen sie reichlich betulich daher. "Grenzlichter Künstlerisches Schaffen am Rand" ist da eine erfrischende Ausnahme. Das Buch über die Kreativwerkstatt des Bürgerspitals Basel und die Fehlerpfleger gibt sich schon auf dem Cover subversiv. Lichterloh brenn da ein Papierhaus mit der Aufschrift WWB und im dicken Rauch erscheint der Titel. Auf drei Bändern ziehen sich Text- und Bildteil durch das Buch, dessen Layout flockig und betrachterfreundlich ist. Walter Buess, der Leiter der Kreativwerkstatt, der auch als Mitherausgeber zeichnet, stellt in einem ersten Text die Institution vor, die unter seiner Leitung seit 1993 am Rande der Stadt besteht. Hier, hart an der Grenze zu Frankreich, tut sich eine freundlich chaotische Welt auf, in der Menschen mit einer Behinderung ohne Produktionsdruck ihren Neigungen nachgehen können. Margret Mellert, Redaktorin bei der NZZ, zeichnet den Alltag in dieser Werkstatt auf ebenso subtile wie präzise Weise nach. Paolo Bianchi widmet sich in seinem Text über die Fehlerpfleger Simone Kurz und Markus Häberlin der Dialektik zwischen Kunst- und Fehlermenschen. Die Fehlerfleger fungieren als Relais, als Schnittstelle zwischen Atelier und Öffentlichkeit, wobei nie eine Kunsttheorie, sondern immer der Mensch im Mittelpunkt steht. Der Kunstjournalist Samuel Herzog nähert sich in seiner Artikelserie "Personal Choice" behutsam einigen ausgewählten Bildern. Der Schreibende, selbst Betroffener, ist mit dem Essay "Ein Grenzgänger ist kein Terrorist" und Anagrammen im Buch präsent. In guter Farbqualität und repräsentativ werden Werke der Künstler der Kreativwerkstatt vorgestellt, die zeigen, dass Bilder von Outsidern formal und inhaltlich voll zu überzeugen vermögen. Porträts über Werkstattmitglieder, von künstlerischen Aktionen und Panoramaansichten der Zimmer von einzelnen Künstlern runden das attraktive und spannende Buch ab. Ein ausklappbares Faltblatt erschliesst schliesslich die Eckdaten zu Bildern und Personen. Mit diesem erhellenden Buch ist den Herausgebern und dem CMS-Verlag ein Wurf gelungen, der dazu beitragen kann, dass die Kunst von beeinträchtigten Menschen das Ghetto des wohlwollenden Kopfnick-Status hinter sich lässt.
Thomas Brunnschweiler
Walter Buess, Markus Häberlin, Simone Kurz (Hg.): Grenzlichter. Künstlerisches Schaffen am Rand. Kreativwerkstatt Bürgerspital und fehlerpfleger, Christoph-Merian-Verlag, Basel 2004, 120 Seiten, Fr. 48.