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Kreativwerkstatt (Auszug)

Muss nicht jeder Schaffensprozess die gewohnte Ordnung auflösen, um aus dem Chaos heraus zu einer neuen Perspektive zu führen? So wie das in höchster Konzentration Markus Buchser betreibt. Über sein Bild gebeugt sitzt er an seinem Fenstertisch, ohne sich ablenken zu lassen vom Hin und Her draussen im Hauptraum. Buchser bleibt bei seiner Sache, mag passieren, was will. Er erobert auf seine Weise die Welt, indem er ihre fotografischen Abbilder umdeutet, von innen heraus. Wie viel banger Respekt steckt im schroffen Grau seiner Berge, das ganze Leinwände füllt und dem schmalen Himmel kaum Platz lässt? Und wenn er die geologische Struktur einbezieht, den hoch aufstrebenden Felsen regelmässige Streifen verpasst, gerüstet er sie damit nicht ein, um ihnen den Schrecken zu nehmen? Sogar den Mount Everest kann er so bezwingen, mit silbernem Schimmer das Abweisende mildern dieser höchsten Bergmajestät, über deren Gipfel er dottergelbes Sonnenlicht breitet und kraftvolles himmlisches Blau.
Die Bergwelt hat es ihm angetan. Er erkundet sie oftmals zu Fuss, und der Pinsel des Malers erzählt auch von den Mühen des Wanderers. Überhaupt setzt er manchmal ganz direkt Erfahrungen um. Indem er zum Beispiel Säle und Treppen und Fassaden des Museums, das die Künstler gemeinsam besucht haben, ausbreitet wie einen Teppich, so dass die Erinnerung ihn darauf zu Ludwig Kirchner zurückführen kann. Und in den Raum, wo sie nach der Ausstellung Kirchners <Zwei Freunde> nachgezeichnet haben, jeder für sich. Dort hat Buchser, dessen Landschaften immer menschenleer sind, vier Figuren gezeichnet. Nicht einfach Freunde, nein, zwei richtige Paare, Männlein und Weiblein, und über den Köpfen des einen Paars schwebt eine Brücke. Und später erwuchs ihm unversehens der Mut, Urlaub zu nehmen von der Bergwelt und malerisch in völlig unvertraute Fernen zu reisen. In ein klarblaues karibisches Meer einzutauchen – nicht ganz bildfüllend, das nicht. Buchser braucht am Horizont eine Insel, und der Gärtner, der er einst jahrelang war, pflanzt darauf Palmen. Und er baut einen Steg übers Wasser, der nicht wie auf dem Reiseprospekt im Vordergrund einfach endet, sondern diesseits zu einem rechteckigen Gebäude führt, von dem man ausgehen könnte. Erst wenn alles so seine Ordnung hat, wird dem Meer seine Unschuldsbläue gestattet, und Markus Buchser kann überzeugt sagen: «Schön, gäll!»
Margret Mellert